In diesen Tagen treffe ich viele neue Arbeitskollegen, die nicht nur mich, sondern damit auch eine Veganerin zum ersten Mal kennenlernen. Und natürlich dürfen sie sich auch bald auf selbstgemachte, vegane Cupcakes freuen, um das Bild der salatmümmelnden Hippies, das Veganismus umgibt, etwas abzubauen. Aber abgesehen von potentiellen Törtchen-Rezepten, die zum Aufweichen von Vorurteilen geeignet sind, schwirrt in meinem Kopf vor allem eine Frage herum, mit der ich in letzter Zeit immer wieder konfrontiert werde: "Ist es nicht schwierig, vegan zu leben?" Und ganz ehrlich kann ich auf diese Frage keine eindeutige Antwort geben.
Auf der einen Seite gibt es mittlerweile eine unglaubliche Auswahl an pflanzlicher Milch, an veganen Aufstrichen, Fertigprodukten, veganen Eis-Sorten, die man sogar in ganz normalen Supermärkten kaufen kann. Im Bio-Markt kann man sich vor veganen Würsten, Aufschnitten oder aufschlagbarer veganer Sahne kaum retten. In veganen Online-Versänden kann man alles, aber auch wirklich alles kaufen, was das vegane Herz braucht (wie die weltbeste Salami) Es gibt eine Vielzahl an wunderbaren veganen Kochbüchern, eine Unmenge an Blogs, und in der Küche lernt man so, dass alles, von Fastfood bis hin zu Haute Cuisine, auch vegan gekocht werden kann. "Vegan" ist mittlerweile ein Wort, das immer mehr Menschen kennen, das auch stolz auf Verpackungen gedruckt wird. Wir sind weit gekommen von verstaubten Regalen in Reformhäusern hin zu einem bunteren, lebensfroheren Bild des Veganismus in der Öffentlichkeit. So ist ein veganes Leben oft sehr einfach.
Auf der anderen Seite gibt es Familienessen, bei denen die vegane Option Kraut mit Speck ist, garniert mit Onkel Edi's beleidigenden Witzen. Es gibt Restaurants, die nicht mal ein vernünftiges vegetarisches Gericht anbieten, und die natürlich für das Essen mit der Arbeitsgruppe ausgesucht werden - nie fällt ein Veganer mehr auf, als wenn wir trockenen Salat und Pommes als Hauptgericht bestellen müssen. Es gibt Städte, in denen es zwar vegane Restaurants gibt, aber die oft so weit von den touristischen Vierteln entfernt sind, dass man zunächst eine Marathon-Distanz zurücklegen muss, um etwas Vernünftiges zu essen zu bekommen. Und da ist natürlich die etwas abhanden gekommene Spontanität, weil man natürlich nicht mehr in jeder x-beliebigen Döner-Bude einen Snack kaufen möchte. Dann ist ein veganes Leben oft schwierig.
Die Antwort auf die Frage, ob ein Veganismus kompliziert ist, ist daher ein klares "Jein". Natürlich ist das keine besonders gute Antwort. Aber meiner Meinung nach ist die Frage auch nicht besser - denn anstatt zu fragen, ob ein veganes Leben schwierig ist, sollte man doch eher fragen, ob es das Richtige ist zu tun.
Viele Dinge im Leben sind aufwändig und schwierig, aber wir machen sie trotzdem, weil sie richtig sind. Wir halten an einem Zebrastreifen, damit Fußgänger über die Straße gehen können, obwohl wir sonst schneller fahren könnten. Wir erklären unseren Kindern den Unterschied zwischen Richtig und Falsch, anstatt sie anderen Kindern mit der Sandschaufel auf den Kopf schlagen zu lassen. Wir lernen für Prüfungen, um das Studium oder die Ausbildung abzuschließen, obwohl wir sonst in der Sonne liegen könnten. Wir bieten der alten Frau im Bus einen Platz an, obwohl der Sitz am Fenster so gemütlich ist. Natürlich ist das alles aufwändig und schwierig und unbequem, aber kaum jemand stellt sie in Frage, denn es sind Dinge, die man tut, weil sie einfach richtig sind. Genauso sehe ich meine Art zu leben an - es ist nicht immer einfach, es gibt Aspekte, die mich nerven, und gelegentlich wünsche ich mir, die Welt wäre schon weiter, damit ich mich nicht so abmühen müsste. Aber die Dinge sind nun mal so wie sie sind, und ich tue das, was getan werden muss - wer je gesehen hat, wie Fleisch, Milch oder Eier produziert werden, der trägt wohl diesen Gedanken mit sich herum. Und ich sehe mich auch nicht als Märtyrerin, genauso wenig, wie ich mir nicht jeden Abend auf die Schulter klopfe, weil ich heute zur Arbeit gegangen bin, oder höflich war, oder mir die Zähne geputzt habe.
Natürlich ist Veganismus gelegentlich unbequem, egal, ob es schon wieder eine neue vegane Wurstsorte im Supermarkt gibt oder ob nun endlich ein veganes Restaurant in der Stadt aufgemacht hat. So lange, bis der Großteil der Menschen vegan lebt, wird es auch oft schwierig sein, anders zu handeln. Aber für mich ist es viel schwieriger, nicht vegan zu leben - denn wie so oft gibt es Themen in denen Moral, Ethik und das eigene Gewissen schwerer wiegen als Bequemlichkeit.
On some positions, cowardice asks the question, is it expedient? And
then expedience comes along and asks the question, is it politic? Vanity
asks the question, is it popular? Conscience asks the question, is it
right? There comes a time when one must take the position that is
neither safe nor politic nor popular, but he must do it because
conscience tells him it is right.
Die Feigheit fragt - ist es sicher? Die Nützlichkeit fragt - ist politisch klug? Die Eitelkeit fragt - ist es populär? Aber das Gewissen fragt - ist es richtig? Und es wird die Zeit kommen, da man eine Stellung beziehen muss, die weder sicher, noch klug, noch populär ist. Aber man muss es dann tun, weil es richtig ist.
Martin Luther King