Vegan ist gerade in aller Munde - wir sind endlich aus der staubigen Müsli-Ecke herausgekommen und sind jetzt eine ganze Menge Dinge: Fit. Sexy. Modern. Süß. Lecker. Naschkatzen. Trendy. Lifestyle.
Ich bin die Letzte, die sich darüber beschwert - wie könnte ich auch? Wenn ich jemandem erzähle, dass ich vegan lebe, bekomme ich in letzter Zeit beifälliges Nicken und Erzählungen des letzten grünen Smoothies anstatt ungläubiger Blicke und halbherziger Witzeleien über Vegetarier. In Restaurants kann man mir tatsächlich vegane Alternativen vorschlagen, anstatt mich nach einer peinlichen Pause zu fragen, ob ich denn Fisch essen würde. Arbeitskollegen berichten mir von den veganen Rezepten, die sie ausprobiert haben. Die vegane Welle ist ein Segen, anders kann ich es nicht bezeichnen - einmal Händeklatschen und dreimal Hallelujah, bitte!
Und trotz der glücklichen veganen Welt finde ich es gelegentlich ganz hilfreich, wenn ich furchtbar traurig bin. Wenn ich vor dem Fernseher in mein Taschentuch heule. Oder im Internet Bilder ansehe, bei denen ich mir das Schluchzen verbeissen muss. Gibt es Tränen in einer Welt, die voll ist von gut gelaunten, trendy Veganern und Veganerinnen, die die allerbesten Cake Pops backen? Ja. Ich sage, es muss sie für mich geben. Weil es mich erinnert, wie ich zu all dem gekommen bin. Weil hinter meinem Verständnis von Veganismus die Ablehnung von Tierquälerei steht.
Ich habe mich immer bemüht, den Blog hier positiv zu gestalten - ohne detaillierte Beschreibungen von grausigen Praktiken an sogenannten Nutztieren. Ich denke, das ist mir auch ganz gut gelungen. Es ist wichtig, sich auf das Positive zu konzentrieren, denn das macht den veganen Lebensstil zugänglicher und interessanter für andere. Wer will sich schon ständig Schauergeschichten anhören?
Trotzdem finde ich, dass genau diese Schauergeschichten nicht aus dem Blick rücken dürfen zwischen all dem veganen Hype und den Hochglanz-Reportagen über die neuen, fröhlichen Veganer. Sie müssen erzählt werden, auch denen, die schon länger vegan leben. Weil diese Geschichten im Unterschied zu den Geschichten, die man rund ums Lagerfeuer erzählt, wahr sind. In diesen Geschichten geht es um verbrauchte Milchkühe, die nach etlichen Kälbern, die sie nie säugen durften, nicht mal mehr laufen können und entsorgt werden. Es geht um Schweine, die nie das Sonnenlicht gesehen haben, ständig auf Beton in ihren eigenen Exkrementen standen, bis ihr miserables Leben schließlich in Wurst endete. Es geht um Hühner, die sich gegenseitig zu Tode picken, weil sie so unnatürlich gehalten werden, dass sie schlichtweg verrückt werden. Das ist hundert Mal schauriger als jedes Schlossgespenst.
Ich bin vor sechs Jahren zum Veganismus gekommen, weil ich diese Schauergeschichten zuerst nicht glauben und dann nicht mehr unterstützen konnte. Und ich weiß, es gibt viele Wege zum Veganismus: Gesundheit, Klimaschutz oder eben Tierrechte - ich will keinen davon bewerten. Tatsache ist aber, dass wir die Traurigkeit im Veganismus nicht loswerden, egal wie bunt unsere Cupcakes oder wie lecker unsere Smoothies sind. Denn die Traurigkeit darüber, wie andere Lebewesen für unser Essen behandelt werden, treibt uns an. Treibt mich an.
Darum weine ich gelegentlich vor dem Fernseher, wenn ich mir ganz bewusst eine Reportage über Milchkühe oder Schweinemast ansehe, und es tut mir gut. Es tut weh, ich sehe es mir nicht gerne an, ich würde am liebsten umschalten - aber es tut gut. Nicht, weil ich eine Märtyrerin bin und mir dann selbst so unglaublich leid tue, oder weil ich mir am Samstagabend gerne Bambusstäbe unter die Fingernägel schiebe, sondern weil es eine kleine Erinnerung daran ist, dass für mich Veganismus mehr ist als mein neuestes Rezept für Marmorkuchen: Es ist ein alternativer Lebensstil, der aus dem Erkennen von Ungerechtigkeit geboren wurde. Und bei aller Fröhlichkeit und bei allem Genuss erlaube ich mir, darüber gelegentlich auch sehr traurig zu sein.
Liebe C,
AntwortenLöschenVielen Dank für diesen Beitrag. Deine Gedanken bringen mein Hirn zum Arbeiten. Und Deine Rezepte sind Balsam für meine Seele. Eine tolle Kombination. Ich freue mich, dich zu lesen.
Viele inspirierte Grüße!
Liebe Claudia,
AntwortenLöschenhuch, alles neu hier. Aber schön neu!
Danke für deinen Post. Ich mag ihn sehr.
Mir geht es genauso. Ich habe vor 3 Jahren 'earthlings' in einem kleinen Programmkino mit veganem Café in einem Städtchen namens San Cristobal de las Casas in Mexiko gesehen, komplett. Ich habe nicht nur geweint, ich habe Rotz und Wasser geheult und musste richtig laut schluchzen. Nicht nur ich.
Was danach passiert ist, ist klar. Ich stellte meine Ernährung und mein Leben in Frage und danach um. Seither kann ich mir keine Filme, Dokus oder nur Fotos von gequälten, misshandelten Tieren ansehen. Das lässt sich ja nicht immer vermeiden. Passiert es doch, dass mich nur ein Foto auf Facebook von irgendeiner Tierschutzorganisation 'erwischt', verfolgt es mich tagelang und bis in meine Träume.
Ich bin mir dessen bewusst, was 'draussen' in den Ställen geschieht und es macht mich traurig, wenn ich daran denke. Ich fühle mich macht- und hilflos und habe oft den Eindruck, dass ich es doch nicht ändern kann, denn nur weil ich kein Fleisch, Fisch, Käse, Milch oder Eier mehr konsumiere und Schuhe ohne Leder trage, wird deswegen kein Tier weniger für diese Zwecke gezüchtet, kein Stall weniger gebaut. Der Bedarf an Fleisch und anderen tierischen Produkten wächst jedes Jahr weltweit. Das macht mich so traurig und ja - hilflos. Zwar gehe ich meinen Weg für mich, aber ich bin nicht davon überzeugt, dass es 'draussen' für die Tiere einen Unterschied macht. Ich habe auch den Eindruck, dass sich meine Fähigkeit zur Empathie noch viel stärker entwickelt hat und ich seit ich in meiner Ernährung und in großen Bereichen in meinem Leben auf Produkte tierischer Herkunft verzichte, noch mitfühlender, nachdenklicher und zarter besaitet bin, als ich es ohnehin schon war.
Lieben Gruß, Andrea
DANKE!!!
AntwortenLöschen<3
AntwortenLöschenDer Grundaussage deines Beitrags kann ich absolut zustimmen!
AntwortenLöschenAnsonsten lese ich ehrlich gesagt immer ziemlich neidvoll von den ganzen positiven Erfahrungen... in meinem Umfeld bekomme ich nach wie vor in erster Linie mitleidige Blicke und blöde Witze zu hören. Veganismus in der Gesellschaft ist vielleicht in einigen Kreisen ein Hype, der tiefere SINN ist aber irgendwie noch nicht richtig angekommen :-(.
hallo liebe Claudia,
AntwortenLöschenauch wenn ich nicht vegan lebe, versuche ich soweit wie mir möglich das wenige Fleisch, was ich esse, ganz bewußt zu essen
durch Leben auf dem Land und die Möglichkeit dazu, hält der Sohn des Liebsten selbst Schafe und Ziegen - diese Tiere führen zumindest ein wirklich gutes Leben und dieses Fleisch kann ich bewußt geniessen
und wenn unser Haus fertig ist, halte ich mir 3 Hühner .... dann gibt es zumindest auch schon Eier von Tieren, die in Freiheit leben
für viele gibt es diese Möglichkeit nicht - leider
und viele machen sich auch überhaupt keine Gedanken drum und essen zum Frühstück Hackepeter und zum Mittag Schnitzel - Hauptsache es ist billig - schlimm!!
danke für dein Blog, ich werde hier öfters mal stöbern und das ein oder andere Rezept probieren
liebe Grüße
manu
Sehr schön geschrieben!!
AntwortenLöschenIch sehe mir auch ab und an weinend solche Reportagen an...
Mach weiter so!
Liebe Claudia, eigentlich wollte ich dir nur erzählen dass ich grad deinen Mohnkuchen aus dem neuen Kochbuch ausprobiert haben, aber irgendwie ist mir jetzt so gar nicht mehr nach Kuchen essen oder darüber reden. Danke für den Beitrag.... wir alle müssen sowas öfter lesen..
AntwortenLöschenDanke für diesen Post und Deinen Blog, den ich gerade erst entdeckt habe. Mir gehts oft genauso, dass ich mit dem Taschentuch dasitze und weine um all die so unnütz gequälten Tiere. Aber ich denke, dass immer mehr Menschen sich Gedanken machen, auch wenn ich mir noch oft blöde Witze anhören muss in meinem Umfeld. Wir machen einfach weiter! Liebe Grüße
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