Eine der häufigsten Fragen, die mir gestellt werden, wenn
jemand erfährt, dass ich vegan lebe, ist: „Lebt dein Mann auch vegan?“ Und ich
denke, diese Frage wird so oft gestellt, weil sich viele in ihrem Kopf
Kleinkriege und wilde Streitereien über einem Stück Wurst im Kühlschrank in
einer „gemischten“ Partnerschaft ausmalen. Ist das so? Muss das so sein?
Als ich aufhörte, Fleisch zu essen, war ich sehr glücklich
mit dieser Entscheidung. Während einer längeren Autofahrt schüttete ich meinem
Freund (jetzt Mann) M mein Herz aus. Er hörte sich meine Gründe in Ruhe an und
ich hatte den Eindruck, er verstand sie auch. Dann sagte er schließlich: „Aber
meine Leberkäse-Semmel ess‘ ich trotzdem.“ Im ersten Moment war ich irritiert. Ich fand die Reaktion kindisch,
immerhin hatte ich doch nur von mir gesprochen? Heute verstehe ich diesen Satz besser: Ich war dabei, alles in unserem
Leben umzuwerfen; alles, was bisher gut funktioniert hatte und angenehm war,
wurde nun durch unbekannte Variablen ersetzt. Natürlich ist Essen nicht „alles“.
Aber wir tun es mindestens drei Mal am Tag, und es ist so viel mehr als pure
Nahrungsaufnahme. Es ist Tradition, Familie, Beruhigung, Gemeinschaft, Ritual.
Das Schinkenbrot, das man sich vor dem Fernseher teilt. Der Besuch beim
Lieblings-Chinesen („Knoblauch-Huhn mit Extra-Sauce, bitte!“). Die Erinnerung
an das schöne Essen im Urlaub, genossen auf der Terrasse bei Sonnenuntergang.
Und das alles soll jetzt nicht mehr gut genug sein? Natürlich reagiert der
Partner da zurückhaltend. Nur, weil wir uns für diesen Weg entschieden haben,
heißt das noch lange nicht, dass für unsere Partner die Beweggründe ebenso
brennend und wichtig sind. Vielleicht denken sie darüber auch zum allerersten
Mal nach. Und irgendwo dazwischen fühlen sie sich genauso unverstanden und
zurückgelassen wie wir Pflanzenesser.
Während ich also dabei war, (nicht nur) unsere Küche
umzustellen und M sich nostalgisch auf seine Leberkäsessemmel zurückzog,
mussten wir irgendwo einen Kompromiss finden, mit dem beide leben können. Und
ich denke, das ist wirklich der Schlüssel zu einer Partnerschaft zwischen
Veggie und Fleischesser: Einen Kompromiss zu finden, mit dem sich beide
wohlfühlen. Und Kompromiss heißt nicht, ich ändere alles und du schaust, wo du
bleibst. Für uns war der Kompromiss stufenweise: Anfangs aß M noch etwas
Fleisch zu Hause, aber ich bereitete es nicht mehr zu, weil ich mich damit
nicht gut fühlte. Einige Wochen später erklärte ich ihm, dass ich mir einen
fleischfreien Kühlschrank wünschen würde, und das war für ihn auch in Ordnung,
er aß auswärts Fleisch. Einige Monate später stellte ich auf eine vegane Lebensweise um, und da das sehr schrittweise passierte, war es für M auch kein
großer „Schock“. Für die ersten Jahre hatten wir keinen veganen Haushalt, M
hatte noch Schokoriegel und gelegentlich Käse oder Joghurt daheim, und für mich
war das in Ordnung. Bis es das für mich irgendwann nicht mehr war, und wir auf
einen veganen Haushalt umstellten. Wenig später wurde M selbst zum erklärten
Vegetarier und seit etwa zwei Jahren lebt er vegan. Habe ich bis dahin getobt, Kunstblut
über dem Esstisch ausgeschüttet und rund um die Uhr Schlachthaus-Videos laufen
lassen? Nein. Hat M daheim lebendigen Hummer gekocht, Fleischsaft über den
ganzen Herd verteilt und mir ständig Steak angeboten? Nein. Wir haben die
Grenzen des anderen respektiert und gemeinsam herausgefunden, was für uns
funktioniert. Gelegentliche Zickereien oder Streitigkeiten sind normal – wir sind
ja keine Heiligen. Aber die grobe Richtung war klar: Wir respektieren die
Eigenständigkeit des anderen.
Mit aller Wut und Kraft und Vehemenz hätte ich M nicht dazu
bringen können, auf eine vegane Lebensweise umzusteigen. Und das möchte ich
auch gar nicht, denn ich will einen selbstständigen Partner, keine Handpuppe. Inspiration
ist eine Sache, Druck eine andere. Mit jemanden das teilen, was einen bewegt,
ist anders, als jemandem vorzuschreiben, wie er leben soll. Und übrigens: Bevor
ich mich aus eigenem Interesse mit dem Thema Veganismus beschäftigt habe, hätte
mich kein Schockvideo und keine Predigt der Welt zu diesem Punkt gebracht.
Ich kenne viele Veganer und Veganerinnen in „gemischten“
Beziehungen, und in den Beziehungen, die gut funktionieren, haben die Partner
einen Weg gefunden, der für sie beide passt. Das ist sehr individuell. Manche haben
einen veganen Haushalt, manche akzeptieren, dass der andere daheim Fleisch
isst, und bereiten es aber nicht zu, andere bereiten Fleisch für den Partner
zu. Niemand kann euch vorschreiben, dass das eine akzeptabel ist und das andere
nicht, und euch vorschreiben, was sich schickt und was nicht. Niemand steckt in
eurer Haut, und am Ende des Tages müsst ihr etwas finden, das für euch als
Paar und als Individuen funktioniert. Und gelegentlich verändert sich das auch,
wie bei M und mir, und dann spricht man erneut darüber.
Manchmal werde ich auch gefragt, ob ich mit einem
Fleischesser zusammen sein könnte, wenn ich nicht verheiratet wäre (sehr hypothetisch alles). Natürlich ist es schön, gemeinsame Interessen und Werte von
Anfang an zu haben, und Veganismus bestimmt sicher vieles in meinem Leben. Andererseits finde ich die Frage seltsam, immerhin ist ja
mehr an einem Menschen dran als nur Essgewohnheiten. Ich bin auch mehr als nur
vegan. Und nur weil ich einen veganen Partner habe, heißt das nicht, dass ich
nicht in vielen anderen wichtigen Bereichen mit ihm Kompromisse eingehen muss. Kurzum: Ich kann die Frage nicht beantworten. Ich denke die Frage müsste eher
lauten: Möchte ich einen Partner haben, dem wichtig ist, was ich denke, und der
auf mich als Person Rücksicht nimmt? Nur weil jemand vegan lebt oder
Fleisch isst, erfüllt er diesen Punkt leider nicht automatisch.
Wer mehr über unsere vegane Hochzeit erfahren möchte, von der die Bilder hier stammen, bitte hier entlang.
Wer mehr über unsere vegane Hochzeit erfahren möchte, von der die Bilder hier stammen, bitte hier entlang.
Finde ich wunderbar ausgedrückt. Ich habe keinen Partner, daher kann ich nichts dazu sagen, wie ich auf einen Fleischesser reagieren würde. Jemanden zu küssen, der eben ein Steak gegessen hat, und all das, was sich da an Achtung gegenüber dem anderen und solchen Gedanken abspult, ist ja doch was anderes.
AntwortenLöschenABER ich lebe in einer WG, und einige der Punkte, die du angesprochen hast, kommen da natürlich genauso auf. Lustigerweise sind es die (wechselnden) Mitbewohner, die mich fragen, ob es für mich ok ist, wenn sie dann in der gemeinsamen Küche Fleisch und Tierprodukte benutzen (oder es nur sollen, wenn ich nicht da bin oder oder), sie in den Kühlschrank stellen und vor allem das Kochgeschirr mitnutzen dürfen (denn 80% der Kücheneinrichtung gehört mir, ich bin da SEHR gut ausgestattet). Wenn es um das reine Miteinanderleben geht, habe ich da absolut kein Problem mit, solange ich nicht von alten Essensresten verklebtes Geschirr aus dem Schrank hole oder Tierprodukte über mein Essen geskippt werden - aber da hätte wohl JEDER ein Problem mit, unabhängig vom Essensstil ;). Es stört mich auch nicht, wenn im Bad unveganes Shampoo neben meinem steht. Wenn man mit anderen Menschen zusammenlebt, muss man immer einen Kompromiss eingehen. Der eine ist ne Nachteule, der andere steht immer früh auf; einer ist wesentlich ordentlicher als der andere; manchmal muss man dran erinnern, doch bitte die Musik leiser zu stellen. Es ist immer eine Frage der gegenseitigen Achtung, egal in welchem Bereich.
Bei uns ist es immer noch so und ich hab ihn "trotzdem" geheiratet :-D
AntwortenLöschenDanke für diesen super Artikel, Du sprichst mir aus der Seele!
AntwortenLöschenHuhu,
AntwortenLöschenbei uns ist auch so. Mann und Kind essen auch tierische Lebensmittel.
Ich habe diese Entscheidung für mich getroffen und möchte niemnaden dazu zwingen es mir gleich zu tun. Natürlich koche und backe ich für uns alle vegan. Bis jetzt klappt das auch ganz gut ;-)
Huhu,
AntwortenLöschenmein Mann war kein Vegetarier, als wir uns kennenlernten, aber er war auch keiner von der Sorte "Ich brauch mein Steak". Vielmehr war er froh, dass überhaupt was gemeinsam gekocht wird, dass es vegan war, kam ihm gar nicht als problematisch in den Sinn. Vorher hatte er sich recht eintönig ernährt, Hauptnahrungsmittel Brot und Dosenmais... Er hat Verständnis gezeigt, gern diskutiert und von Anfang an zumindest zusammen vegan gegessen. Nach und nach über 2 Jahre wurde das Unvegane weniger, erst nach 3 Jahren hat er sich dann auch nach außen als Veganer identifiziert. Seine Mutter akzeptierte es zwar, aber Sorgen (z.B. bzgl. Kinder) äußert sie ab und zu. Sein Vater hat sehr amüsant reagiert, als mein Mann durch Sport und Bierverzicht sowie weniger Brotkonsum ca. 6kg abgenommen hatte (da lebten wir schon zusammen 2 Jahre vegan) - "Ich habs doch gleich gesagt, dir fehlt das Fleisch, deswegen magerst du so ab, deine Frau muss dir was ordentliches kochen". Wir haben es mit Humor genommen. Auf Auslandsreisen hat er ab und zu das Bedürfnis, lokale Speisen zu probieren, die Milch oder Ei beinhalten, da stelle ich mich auch keinesfalls quer, zumal meiner Erfahrung nach im Ausland vegan nicht immer einfach ist, wenn man nicht seinen Tag von einem Veggie-Cafe zum nächsten plant ;)
Ich würde niemals für jemand anderen etwas Unveganes kochen (ich kann das gar nicht, ich wüsste nichts mit Fleisch oder Eiern anzufangen) oder ihm einen Ledermantel schenken o.ä., auch meine Wohnung bleibt vegan (also was Kleidung und Lebensmittel oder Drogerieartikel betrifft). Es gibt genügend Gelegenheiten, außer Haus andere Dinge zu essen/nutzen, als die, welche ich anbiete, so dass kein Gast (oder Partner) sich gering geschätzt fühlen muss. Dabei bin ich alles andere als militant, prinzipiell eher zurückhaltend und sitze auch nicht argumentierend am Tisch, den unveganen Kuchen der Uroma verschmähend, sondern probiere ein Stück, würde aber selber so etwas nicht kaufen/backen oder z.B. das Gleiche bei Eltern oder Kollegen tun. Meine Sichtweise ist so: Meinem jüdischen Nachbarn klatsche ich auch kein blutiges Steak auf das Milchgeschirr, auch wenn ich anderen Glaubens bin und selber nichts zu befürchten hätte (außer, dass er mich rauswirft...). Daher erwarte ich von meinem Partner, zumindest zu Hause an einem Strang zu ziehen. Wer dazu nicht bereit ist, stimmt nicht genügend mit mir überein, wahrscheinlich nicht nur in dem Bereich, wozu also eine langfristige Bindung eingehen? Mitbewohner wären ein anderer Fall, an die binde ich mich ja nicht emotional-intim or gar auf Lebenszeit.
Ein anderes Modell läuft bei meinen Eltern, die essen eigentlich nur in Ausnahmefällen Fleisch (95% ihrer Mahlzeiten sind vegetarisch), sie handhaben es so, dass mein Vater eine kleine Box im Kühlschrank hat, die er mit Wurst beliebig füllen kann, aber mehr wird nicht gekauft.